Hanebüchen

Guillaume Musso – „Die Unbekannte“

von Steffi Engler

Hanebüchen
 
... aber (nur) zunächst spannend
 
In einer kalten Dezembernacht wird in Paris eine junge Frau aus der Seine gerettet. Sie ist nackt, spricht kein Wort und scheint an einer Amnesie zu leiden. Ein DNA-Test soll ihre Identität klären, doch das Ergebnis macht den Fall nur noch rätselhafter: Die Frau ist Milena Bergmann, jene gefeierte Pianistin, die vor einem Jahr bei einem tragischen Flugzeugabsturz starb. Noch bevor die Polizei die Unbekannte befragen kann, flieht sie aus der Krankenstation des Präsidiums. Die wegen falscher Entscheidungen und Fehlern (wir erfahren nicht welche) auf eine unwichtige Stelle abgeschobene Ermittlerin Roxane Montchrestien nimmt die Ermittlungen auf, scheint doch ihr mysteriös verunglückter Vorgänger Marc Batailley dort bereits im ähnlichen Zusammenhang Nachforschungen angestellt zu haben.
Zusammen mit der Werkstudentin Valentine Diadicté folgt Roxane der Spur der jungen Frau. Auch den Schriftsteller Raphaël Batailley, den ehemaligen Verlobten von Milena Bergmann und Sohn des im Koma liegenden Kommissars, beziehen sie in die Ermittlungen ein. Als sie erkennen, daß nicht nur die Unbekannte, sondern auch Raphaël ein falsches Spiel spielt, sind sie längst in einen Strudel von Mystizismus, Mythologie, Dionysos-Kult und Traumvisionen geraten.
 
Was sich als durchaus spannender Krimi mit einer guten Grundidee anläßt, von Guillaume Musso geschickt und flüssig erzählt wird und flott zu lesen ist, gerät mehr und mehr ins an den Haaren der Mänaden herbeigezogene Handlungsgewirr. Da werden Fäden gesponnen, die mit mangelhafter Logik verknüpft werden oder im leeren Raum zerflattern, Personen agieren gegen jede Vernunft, nur um weitere ver-rückte Handlungselemente zu ermöglichen, -zig verschiedene konkurrierende Polizeibehörden werden eingespannt und machen das Handlungsgeflecht noch undurchsichtiger, die Gedanken eines im Koma liegenden Mannes sollen erklären, was im Vorfeld geschehen ist, ein totes Kind tritt als Wiedergänger auf - und spätestens ab Seite 283 versinkt der Roman in hektischem Aktionismus. Völlig hanebüchen zieht der Autor eine wild konstruierte internationale Ritualmord-Serie aus dem Hut. Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Wer schlau ist, liest das Buch bis dorthin und erspart sich den haarsträubenden Blödsinn der irrealen Auflösung des Romans. Gäbe es nicht die wunderschönen Literaturzitate an den Kapitelanfängen, würde ich von der Lektüre gänzlich abraten.
 
Guillaume Musso – „Die Unbekannte“
Roman – aus dem Französischen von Eliane Hagedorn und Bettina Runge
© 2023 Piper Verlag, 416 Seiten, Klappenbroschur ISBN: 978-3-492-06376-0
€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
18,- €
 
Weitere Informationen: www.piper.de